Der Körper der Fotografie

Dörte Eißfeldt, 1992

Dörte Eißfeldt: Der Körper der Fotografie, in: POL, Künstlerbuch, Nazraeli Press, München 1992.

Papier ist geduldig. Film ist geduldig – die Fotografie setzt sich zur Wehr: Sie will sich nicht länger verausgaben und verschwenden an die Motive und an die grenzenlose Unterhaltung; sie hat einen Körper und sie zeigt ihn; sie bildet sich selbst auf allen Bildern ab, hinterlässt einen Eindruck – mal versteckt, doch zunehmend offensiv.

Sie hat einen Körper von extremer Sensibilität gegenüber Licht und Chemie, Feuer und Wasser. Sie belebt alte Kulte, Rituale von Bildgewinnung und Bilderdeutung, Aufnahme und Opfer.

Sie metallisiert den Moment, mineralisiert das Licht. Sie stoppt die hysterische Beschleunigung der Bildproduktion, die sie selbst betrieben hat, und geht über zu langen, langsamen Bildprozessen: Die Fotografie ist eine Kunst der drei Kammern und drei Körper, ein prinzipiell mehrstufiger Prozess. Sie lädt die Bilder auf, verdichtet sie; sie schert sich nicht um Gestaltung, die führte nur dazu, Hohlheit und Leere zugleich zu produzieren und zu verbergen.

Die Fotografie schafft Modelle, Möglichkeitsformen der Verarbeitung und Bewältigung von Welt. Sie will Neugier und Altgier, die Sensation des Banalen.

Die Fotografie berührt das Universum.

Die Fotografie materialisiert das Denken.

Fotos sind wie Wale, die ganze Inseln tragen können.

 

The Body of Photography

Paper is patient, film is patient – photography stands up in defence. She no longer wants to overspend, to waste on the image and endless discussion: she has a body and she shows it; she portrays herself in every image, leaving behind an impression – sometimes hidden but never passive.

Her body is sensitive to light and chemicals, fire and water. She stimulates ancient cults, rituals of interpretation, visual record and victim.
She materializes the moment, mineralizes the light. She stops the hysterical acceleration of picture making, which she herself has caused, and decided instead to become a slow and patient process. Photography is an art of three chambers and three bodies, an inherently drawnout process. She re-generates the pictures, condenses them; she doesn´t concern herself with form, leading only to hollowness and emptiness.

Photography creates models, forms to be worked over. She´s hungry for the new and the old, sensations of the banal.

Photography soothes the universe.

Photography materializes thoughts.

Photographs are whales, and can carry entire islands.


„Touch“:
surface of the world – surface of the picture
„Pole“: concentration and distance
„Sur Face“: a screen, on which everything appears – a shield that lets everything bounce off.