Anna Loog antwortet Diggi Taal

Dörte Eißfeldt, 1994/1996

Dörte Eißfeldt: Anna Loog antwortet Diggi Taal (Anmerkungen zur digitalen Fotografie), in: Kat. Ausst.: Fotografie nach der Fotografie, hrsg. von Hubertus von Amelunxen, Verlag der Kunst und Siemens Kulturprogramm, München 1996.

1. Anreiz und Skepsis
Die Existenz des digitalen Fotobildes ist eine virtuelle. Es ist ohne materiellen Träger, körperlos, ortlos, zeitlos – Dimensionen, die denen des Benutzers entgegen ‘stehen’. Für die künstlerische Arbeit stehen beim digitalen Bild nur seine Erscheinungsformen/Begegnungen zur Disposition, seine unterschiedlichen Träger (die Druckmaterialien).

Der Entstehungsprozess – die Spuren der Arbeit, die in ein Fotobild eingegangen sind – muss für mich sichtbar beziehungsweise transparent bleiben. (Selbst die traditionelle handwerkliche Forderung nach Perfektion lässt diese sichtbar werden). Die Arbeit drückt sich aus; sie drückt sich in die Oberfläche des Bildes. Oberfläche ist immer auch zu beziehen auf den Tastsinn und den Raumsinn. Sperrigkeit, Trägheit und Widerstand von Materie sind für (die) künstlerische Arbeit unabdingbar – etwas begreifen, etwas abarbeiten, einem Etwas Gestalt geben.

Im digitalen Fotobild aber entstehen keine Spuren oder Markierungen – Veränderungen und Manipulationen sind jederzeit und unbeschränkt möglich. Begriffe wie Täuschung / Fälschung sind in diesem Zusammenhang obsolet und müssen neu diskutiert werden. Es scheint also erst einmal ein Rückschritt zu sein: die Auseinandersetzung mit der Malerei der Vormoderne (Synthetisierung von Bildern) ist fällig. Dies ist aber weniger ein fotografisches als vielmehr ein malerisches Problem, auch wenn das digitale Fotobild weiterhin nach fotografischen Parametern gelesen werden wird.

Was mich interessiert, ist die dynamische Generierung fiktiver Bildorganismen (oder Bild-Monster?). (Analog-) Fotografisch ist nur eine mehr oder weniger identische Wiederholung möglich; die (analoge) Fotografie kann immerhin schon Bilder klonen. Aber das Bild einer Welle, zum Beispiel, lässt sich bis heute nicht programmieren. Organische Natur ist unfassbar und unerreicht komplex. Dieser Konflikt interessiert mich in meiner Arbeit schon immer: Die Schnittstelle, Nahtstelle, Schwelle von Leben und Bild. Das Verhältnis von Bild und Realität ist bereits in Turbulenzen geraten.

Was dieses körperlose, materiefreie, flottierende Etwas zu kreieren vermag an Vernetzungen / Verflechtungen / Verknotungen / Verschränkungen / Verschlingungen von Bild / Ton / Text / Ort / Zeit / Raum / Identität reizt mich sehr– aber was hat das mit Fotografie zu tun?

2. Status der Bilder
Der physikalische bzw. indexikalische Bezug zum Referenten ist nur noch ethisch-moralisch vorhanden. Wo bleibt der faszinierende Aspekt der Zeugenschaft dessen, der mit einem analogen Bild arbeitet – und wo bleiben die unausdenklichen, (unkalkulierbaren) Reste? Ist Magie auch im digitalen Fotobild vorstellbar?

3. Autorenschaft
Der Fotoautor wird – wie beim Film – noch deutlicher nicht die Tätigkeit des Kameramannes, sondern den Entwurf und die Gestaltung von Bildern vornehmen, was er in der Kunst letztlich immer schon tat. Einiges wird einfacher und schneller zu realisieren sein.

So wie die Fotografie immer die Sprache der Chemie und der einäugigen Zentralperspektive spricht, sprechen auch alle digitalen Arbeiten immer die Sprache ihres Mediums. Dies ist aber immer sehr stark vom Denksystem und den Anforderungen der Programmierer vorprogrammiert, und es wird sehr viel Anstrengung kosten, um die künstlerische Nutzung über die banalen Anfänge des Malens mit dem Computer, (Photoshop etc.) hinauswachsen zu lassen.

Dörte Eißfeldt 1994/1996  (2018)